- Friedensnobelpreis 1919: Thomas Woodrow Wilson
- Friedensnobelpreis 1919: Thomas Woodrow WilsonDer amerikanische Präsident erhielt den Friedensnobelpreis für seine Verdienste um die Beendigung des Ersten Weltkriegs und die Gründung des Völkerbunds.Thomas Woodrow Wilson, * Staunton (Virginia) 28. 12. 1856, ✝ Washington D.C. 3. 2. 1924; 1890 Professor für Jurisprudenz und Politische Ökonomie an der Princeton University (New Jersey, USA), 1902-10 Präsident der Princeton University, 1911/12 Gouverneur von New Jersey, 1913-21 Präsident der USA.Würdigung der preisgekrönten LeistungDen Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika in den Ersten Weltkrieg hatte Präsident Wilson nicht gewollt. Als im August 1914 in Europa der große Krieg ausgebrochen war, hatte Wilson seiner Nation einen strikten Kurs der Neutralität verordnet. Doch Anfang 1917 begann Deutschland mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Zahlreiche amerikanische Schiffe wurden von deutschen Seestreitkräften im Nordatlantik versenkt. Wilson sah sich jetzt zum Handeln gezwungen, und im April 1917 erklärte er Deutschland den Krieg. Was er damit zu erreichen beabsichtigte, stand aber im Gegensatz zu den Kriegszielen der meisten europäischen Mächte. Nicht imperialistische Interessen sollte man verfolgen, sondern der Welt den Frieden bringen. Der Krieg war nur dazu da, zukünftige Kriege zu verhindern. Außerdem ging es Wilson um einen Kreuzzug für die Demokratie. »Die Welt muss für die Demokratie sicher gemacht werden«, rief er aus, und das bedeutete für ihn: Ausschaltung der autokratischen, kriegstreiberischen Mächte.So blieb Wilson, auch wenn er Amerika 1917 in den Krieg führte, letztlich seiner Linie treu. Angetreten war er vier Jahre zuvor als der Präsident des Friedens. Internationale Verständigung und Abrüstung waren von Anfang an die Kernpunkte seines außenpolitischen Programms. Amerika nicht in den großen europäischen Krieg verwickelt zu haben, hatte ihm bei vielen seiner Landsleute Sympathien eingebracht. Seine Wiederwahl im Jahr 1916 verdankte er nicht zuletzt dem Slogan: »Er hat uns aus dem Krieg herausgehalten.« Doch meldeten sich auch zunehmend Kritiker zu Wort, die um Amerikas Weltgeltung fürchteten.Wilson ließ sich nicht beirren. Der Frieden war schon immer sein besonderes Anliegen gewesen. Bereits 1908 hatte er sich der Amerikanischen Friedensgesellschaft (American Peace Society) angeschlossen. Damals war er noch nicht Politiker gewesen, sondern ein prominenter Wissenschaftler und Präsident der berühmten Universität von Princeton. Dort hatte er 1890 eine Professur für Jurisprudenz und politische Ökonomie erhalten. Wilson schrieb in dieser Zeit grundlegende Werke zur amerikanischen Geschichte und Verfassung. Seine reformerische Tätigkeit als Präsident von Princeton veranlasste die Demokratische Partei, ihn als ihren Kandidaten für den Gouverneursposten des Bundesstaats New Jersey zu nominieren.Auf dem Weg in die große PolitikDies war ein entscheidender Schritt für Wilsons politische Karriere, denn er wurde 1911 mit überwältigender Mehrheit gewählt — nur zwei Jahre später war er Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Dank der Uneinigkeit der Republikanischen Partei konnte sich Wilson gegen den Amtsinhaber William Taft und den früheren Präsidenten Theodore Roosevelt (Nobelpreis 1906) durchsetzen. Roosevelt wurde zu einem der schärfsten Kritiker von Wilsons Friedenskurs im Ersten Weltkrieg.Wilson gab dem innenpolitischen Druck teilweise nach und stimmte Waffenlieferungen an Frankreich und England zu. Sein Hauptziel aber verlor er nicht aus den Augen. Anfang 1917 unterbreitete der Präsident dem amerikanischen Kongress den Plan eines Völkerbunds (League of Nations) als Instrument der Friedenssicherung. Die deutsche U-Boot-Offensive und der Eintritt der USA in den Krieg ließen dieses Projekt einstweilen in der Schublade verschwinden.Protagonist des VölkerbundsDoch schon Anfang 1918 meldete sich Wilson mit einer neuen, Aufsehen erregenden Initiative zu Wort: den berühmten 14 Punkten. In ihnen fasste der Präsident seine Vorstellungen von einer Friedensordnung nach dem Ersten Weltkrieg zusammen. Neben Forderungen, die sich auf konkrete territoriale Regelungen bezogen, enthielt dieser Katalog allgemeine Ziele wie das Selbstbestimmungsrecht der Völker, Abrüstung und wirtschaftliche Chancengleichheit. Am wichtigsten war Wilson aber der 14. Punkt: Bildung eines gemeinsamen Verbands der Nationen zur Sicherung der politischen Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Staaten. Das war die alte Idee der Gründung eines Völkerbunds, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, zukünftig alle internationalen Konflikte auf dem Verhandlungsweg beizulegen.Nach der Kapitulation Deutschlands im November 1918 schaltete sich Wilson aktiv in die Friedensverhandlungen ein. Anfang 1919 reiste er nach Paris und arbeitete mit den Vertretern der Siegermächte England und Frankreich den Vertrag von Versailles aus, der den Deutschen harte Sanktionen auferlegte. Um seine Idee vom Völkerbund nicht zu gefährden, erklärte sich Wilson zu erheblichen Zugeständnissen an die europäischen Verbündeten bereit, insbesondere was die Zahlung von Reparationen durch Deutschland betraf. Zurückgekehrt nach Washington, sah sich der Präsident heftiger Kritik namentlich vonseiten seiner republikanischen Gegner ausgesetzt. Sie sahen im Versailler Vertrag und insbesondere in Wilsons Völkerbunds-Vision die Souveränität der USA bedroht. Als sich abzeichnete, dass im Senat die notwendige Zustimmung zu dem Vertragswerk nicht zustande kommen würde, entschloss sich Wilson zu einem ungewöhnlichen Schritt. Anfang September 1919 begab er sich auf eine Werbetour durch die USA. Auf zahlreichen Kundgebungen warb er unermüdlich für sein Friedenskonzept. Die Anstrengungen forderten ihren Tribut: Ende September erlitt der Präsident einen schweren körperlichen Zusammenbruch, dem wenig später ein Schlaganfall folgte.Trotz seiner Krankheit versuchte der Präsident, den Senat umzustimmen und eine Mehrheit für den Versailler Vertrag und den damit verbundenen Eintritt der Amerikaner in den Völkerbund zu erhalten. Die Bemühungen waren vergebens, auch weil Wilson zu keinerlei Kompromissen bereit war. So lehnte der Senat den Vertrag gleich zweimal ab. Der Völkerbund nahm im Januar 1920 ohne die USA seine Arbeit auf, und der Versailler Vertrag trat ohne die Unterschrift der Amerikaner in Kraft. Im Sog dieser Ereignisse gewannen die Republikaner im November 1920 mit großer Mehrheit die Präsidentschaftswahlen. Kurz zuvor hatte Wilson die Nachricht erhalten, dass er nachträglich mit dem Nobelpreis von 1919 ausgezeichnet worden war. Wilson habe, so das Komitee in der Begründung, in die internationale Politik »den Entwurf für ein grundlegendes Gesetz der Humanität eingebracht«. Für Wilson war der Preis jedoch nur ein geringer Trost für das letztliche Scheitern seiner Politik. Außerdem zeigte es sich bald, dass der Völkerbund nicht in der Lage war, die Rolle als friedensstiftendes Instrument auszufüllen. Erst mit der Gründung der Vereinten Nationen (1945), denen auch die USA beitraten, fanden Wilsons Ideale wenigstens teilweise ihre Verwirklichung.H. Sonnabend
Universal-Lexikon. 2012.